Der Oper Dialogues des Carmélites liegt die Märtyrergeschichte von 16 Karmelitinnen zugrunde, die am 17. Juli 1794, auf den Tag genau ein Jahr nach Charlotte Corday und 11 Tage vor Maximilien Robespierre, in Paris hingerichtet wurden. Sie waren schon 1792 aus ihrem Kloster in Compiègne vertrieben worden. Am 13. Februar 1790 hatte die Nationalversammlung die Orden aufgehoben und später im Jahr die Zivilverfassung in Kraft gesetzt, durch die alle Geistlichen wie Zivilbeamte gewählt und besoldet wurden. Den Eid auf diese Zivilverfassung widerriefen die Karmelitinnen. Sie wurden am 24. Juni 1794 verhaftet und nach Paris gebracht. Es wurde ihnen der Prozess gemacht und sie wurden zum Tod durch die Guillotine verurteilt. Im Angesicht des Todes erneuerten die 16 Schwestern im Alter von 28 bis 79 Jahren ihr Ordensgelübde und bestiegen singend und betend das Schafott. Sehr ausführliche Informationen über ihre Geschichte erhält man in französischer Sprache auf der Website des Carmel.
Nicht weniger als 5 Autoren müssen für die Dialogues des Carmélites außer Poulenc aus urheberrechtlichen Gründen genannt werden. Die beiden wichtigsten sind Gertrud von le Fort und Georges Bernanos.
Aus hugenottischen Adelsgeschlecht stammend, Tochter eines preußischen Offiziers, konvertierte Gertrud von le Fort 1926 in Rom zum Katholizismus, nachdem sie sich schon vorher dichtend der katholischen Mystik angenähert hatte. Nach den Romanen und Das Schweißtuch der Veronika und Der Papst im Ghetto wandte sie sich, in der Form einer Renaissancenovelle, dem Stoff der Karmeliterinnen von Compiègne zu. Sie fügte in Die Letzte am Schafott den historischen Personen zwei dichterische Figuren hinzu: Blanche de la Force (die Weiße - oder Unschuldige - von der Kraft, unschwer erkennt man die Anspielung auf "von le Fort") und Marie de l'Incarnation. Blanche wird als zweite Novizin der historischen Constance zur Seite gestellt. Schüchtern, ja schreckhaft, zeigt sie zunächst gar keine "Kraft", wird sich aber am Schluss ganz bewusst für das Martyrium entscheiden. Marie ist die Realistin, die am Ende Überlebende, die die Geschichte weiter trägt. Gertrud von le Fort war zeitweise in engem Kontakt mit Gertrude Stein, der jüdischen Philosophin, die auch zum Katholizismus konvertiert war und im Karmel Zuflucht suchte, nachdem sie von den Nazis Lehrverbot erhalten hatte, was sie jedoch nicht rettete: sie wurde in Auschwitz ermordet. Über Gertrud von le Fort und Gertrude Stein gibt es hier eine interessante Abhandlung, die im Zusammenhang mit Günter Krämers Inszenierung steht.
Bernanos ist ebenfalls ein sehr stark katholisch geprägter Schriftsteller, sein berühmtester Roman ist das Tagebuch eines Landpfarrers (1936). Seit 1938 im südamerikanischen Exil, war er 1945 auf Einladung von General de Gaulle nach Frankreich zurück gekommen, ging aber noch im selben Jahr für zwei Jahre nach Tunesien. Kurz vor seinem Tod arbeitete Georges Bernanos an einem Drehbuch für einen Film nach der Novelle von Gertrud von le Fort. Als er 1948 in Neuilly bei Paris starb, war das Drehbuch mit dem Titel Dialogue des Carmélites, an dem auch Philippe Agostini und Pater Raymond Brückberger (er war der eigentliche Auftraggeber) mitgearbeitet hatten, unvollendet und an eine Realisierung des Films war nicht zu denken. Marcelle Tassencourt und Albert Béguin machten aus dem Manuskript von Bernanos ein Bühnenstück, das 1951 in Zürich unter dem Titel Begnadete Angst zur Uraufführung kam.
Dieses Bühnenstück und die Novelle von Getrud von le Fort inspirierten Francis Poulenc zu der Oper, die er ab 1953 im Auftrag des Teatro alla Scala schrieb. In der Zwischenzeit hatte jedoch der amerikanische Bühnenschriftsteller Emmet Lavery von Gertrud von le Fort die ausschließlichen Bühnenrechte an der Novelle erworben. Sein Bühnenstück Song at the Scaffold (das ist auch der englische Titel der Novelle) kam 1949 in New York heraus. Es bedurfte also seiner Genehmigung und so muss er nun auch immer genannt werden, wenn die Dialoge der Karmeliterinnen aufgeführt werden.
1959, zwei Jahre nach der Oper, kam es dann doch noch zu einer Realisierung des Films unter dem Titel Le Dialogue des Carmélites, deutscher Verleihtitel Opfergang einer Nonne, die Musik dazu schrieb Jean Françaix. Gelegentlich begegnet man dem Film in den Dritten Programmen. Jeanne Moreau, Alida Valli und Madeleine Renaud spielen mit, Marcel Marceau hat einen Auftritt als Pantomime. Bei Youtube gibt es die französische Originalfassung in 11 Teilen. Hier der direkte Zugang zum letzten Teil.
Vielen Dank wieder für die Vorinformation. Schön auch die Hinweise zu Youtube. Ich mag besonder,
AntwortenLöschen(soll man sagen Arie???)der Priorin im 3.Akt
gesungen von Leontyne Price, die ich noch auf einer Schallplatte besitze.
Jetzt noch etwas anderes.
Würde sie das Programmheft zu "Samson und Dalila" aus Karlsruhe interessieren? Ich bringe es am Mittwoch einmal mit.
Grüße
Melanie Wittenberg