Dienstag, 12. März 2024

Lortzing, noch einmal

Es ist noch kein halbes Jahr, dass wir uns mit Lortzing befasst haben, ich verweise auf den damaligen Beitrag, der ist noch nicht veraltet, er ist hier zu finden (und darin finden sich weitere Verweise und vor allem Links zu Ton- und Videoaufnahmen). Der heutige Beitrag gibt nur noch ein paar kleine zusätzliche Anmerkungen zu Hans Sachs. 1825 war in Leipzig der »Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig« gegründet worden, die Urzelle der bis heute bestehenden Leipziger Buchmesse. Schon 1632 war die Leipziger Messe bedeutender geworden als Frankfurt am Main, was Bücher betrifft. 1840 galt es, ein Jubiläum zu feiern: 400 Jahre Buchdruckkunst. So genau kann man das, was in den 1440er Jahren in Mainz vor sich ging, aber eigentlich gar nicht datieren. Johannes Gutenberg jedenfalls war 1440 gar nicht in seiner Geburtsstadt Mainz, sondern in Straßburg, und auch der Haarlemer Laurens Jansszoon Coster hatte erst um 1442 einen Schüler namens Johannes samt Typen und Werkzeug nach Mainz verloren. Die Costerschen Typen waren übrigens noch aus Buchenholz und nicht aus Blei, aber auch damit konnte man ganze Bücher drucken.

Nun also die »Säcularfeier«. Felix Mendelssohn Bartholdy schrieb zuerst einen Festgesang zum Gutenbergfest für Männerchor und zwei Blasorchester, der auf dem Marktplatz aufgeführt wurde. Davon gibt es nur diese Aufnahme mit Klavier. Ein zweites Werk schrieb er für das Gewandhaus-Orchester und die Thomas-Kantorei, eine große Sinfoniekantate mit dem Titel Lobgesang, die zweite seiner fünf Sinfonien. Hier gibt es eine schöne Aufnahme aus dem Kloster Eberbach (passt doch zu Lortzing...) mit Alain Altinoglu. Das Kirchenlied »Nun danket alle Gott«, das auch im Festgesang zitiert wird, spielt dabei eine große Rolle. Für den protestantischen Kirchenmusiker Mendelssohn bedeuete Gutenberg natürlich vor allem: Gutenbergbibel. Deswegen suchte er sich Texte in der Bibel für sein Werk, das am 25. Juni 1840 in der Thomaskirche zur Uraufführung kam. Zwei Tage davor hatte im Leipziger Stadttheater Hans Sachs von Albert Lortzing seine Premiere.

Lortzing und seine Schauspielkollegen Philipp Reger (1804–1857) und Philipp Jacob Düringer (1809–1870), die ihm beim Libretto halfen, nahmen sich dafür ein Schauspiel des Burgtheaterdirektors Johann Ludwig Deinhardstein (1790–1859) zur Vorlage. Deinhardstein befasste sich gern mit Künstlerpersönlichkeiten in dramatischer Form. Fünf davon veröffentlichte er später unter dem Titel Künstlerdramen (1845, Leipzig). Boccaccio war 1816 sein erster großer Erfolg, Hans Sachs folgte 1827 und Garrick in Bristol 1832. 1847 schrieb er noch Fürst und Dichter, der Dichter darin ist Goethe. 

Laut Libretto spielt Hans Sachs 1517. Im Jahr davor war Sachs von der Gesellenwanderung wieder nach Nürnberg zurückgekommen, aber Meister war er natürlich noch nicht, das wurde er erst 1520. Dem Kaiser Maximilian I. war er in Innsbruck auf der Wanderung begegnet und die Begegnung soll ihn dazu animiert haben, den Minnesang zu studieren. Geheiratet hat er 1519 und zwar die Bergbauerntochter Kunigunde Creutzer aus Markt Wendelstein. Eoban Hesse ist die vierte historische Figur in dem Spiel, ebenfalls mit Ungenauigkeiten, denn Helius Eobanus Hessus (oder Eoban Koch) kam erst 1526 nach Nürnberg und zwar nicht als Ratsherr, sondern als Rhetorik- und Poetik-Professor, und auch nicht aus Augsburg, dort hatte er gar nichts zu tun, sondern aus Erfurt. Die Verbindung Maximilians I., der 1519 starb, mit Nürnberg hat außer Hans Sachs nooch einen berühmten Namen: Albrecht Dürer.

Also vier Namen auf dem Personenzettel von Hans Sachs sind geschichtsträchtig: Kaiser Maximilian I., Hans Sachs, Kunigunde und Eoban Hesse. Dazu kommen die erfundenen Figuren Meister Steffen (als Goldschmied das Vorbild für Wagners Veit Pogner), der (und nicht ein Bergbauer) der Vater Kunigundes sein soll, Cordula, eine Nichte Steffens, Görg, Lehrbursche Sachsens und damit Vorbild für David, Meister Stott, als erster Merker Vorbild für Wagners Beckmesser, sowie zwei Ratsherren, zwei Bogenschützen und die Frau Saberl, eine Zeltwirtin.

Die Handlung nimmt manches vorweg, was Wagner in den Meistersingern von Nürnberg weiterspinnt, aber einige Punkte sind ganz anders: so ist Wagners Sachs gar nicht jung, sondern schoon Witwer, und er hat in Walther von Stolzing einen ganz anderen Gegenspieler, als das Görg ist bei Lortzing, der ihm das Lied stiehlt und wegwirft, oder Eoban Hesse oder Maximilian I.

Der Sängerwettstreit steht bei Lortzing im zweiten Akt und hat damit eine zentrale Stellung (nicht so in der CD-Aufnahme mit Karl Schmitt-Walter, wo der zweite Akt mit dem zweiten Bild des ersten Aktes anfängt); eine Entführung wird im zweiten Akt auch geplant, es ist aber Sachs, der Kunigunde entführen will, er wird erwischt und aus der Stadt verbannt. Heimlich kehrt er im dritten Akt zurück, um den Kaiser zu sehen, dabei wird Eoban mit dem falschen Lied, das er nun als seins behauptet, erwischt und seinerseits aus der Stadt verbannt. Allgemeiner Jubel.

Mehr am Mittwoch,
Ihr Curt A. Roesler

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.