Montag, 15. November 2010

Der germanische Grieche Richard Strauss

In seinem "Brief über das humanistische Gymnasium" von 1945 (der heute so aktuell ist wie damals) bezeichnet sich Richard Strauss als "germanischer Grieche", an einer anderen Stelle sagt er es andersherum, "griechischer Germane". Zeitlebens zogen ihn antike Stoffe an, man denke an Elektra, Ariadne auf Naxos, Ägyptische Helena, Daphne. Für die ersten drei genannten Werke hatte er den gleich gesinnten (und doch so von ihm so verschiedenen) Hugo von Hofmannsthal zur Seite. Nach dessen Tod und nach der Emigration von Stefan Zweig, der ein Nachfolger hätte werden können, blieb Richard Strauss nur noch übrig, sich an den Theaterwissenschaftler und Schriftsteller Joseph Gregor zu wenden, der für ihn nach Daphne noch Friedenstag (ursprünglich 1648 geheißen) und Die Liebe der Danae verfasste. Die beiden letzten gehen allerdings wiederum auf Pläne von Hofmannsthal zurück.
Bald nach der Frau ohne Schatten, bei der sich im übrigen auch große Auseinandersetzungen zwischen Komponist und Librettist auftaten, überreichte Hofmannsthal Strauss einen Entwurf für eine dreiaktige Oper Danae oder die Vernunftheirat. Das Szenarium wurde posthum veröffentlicht und der Regisseur Willi Schuh erinnerte Strauss 1936, während er an Daphne arbeitete, daran.
Eine gravierende Änderung nahm Gregor gegenüber der Vorlage von Hofmannsthal vor: während dort Jupiter – ähnlich wie Keikobad in der Frau ohne Schatten – als spiritus rector ganz im Hintergrund bleibt und nicht selbst auftritt, wurde er jetzt zu einer der Hauptpartien.
"Eine heitere Mythologie" nennen die Autoren das Werk. Das gehört zu den originellsten Bezeichnungen für eine Oper, wie "Handlung in drei Aufzügen" bei Richard Wagner für Tristan und Isolde oder "musikalische Legende" für Palestrina bei Pfitzner. Nicht ein heiterer Mythos, sondern eine Mythologie, denn es kommen verschiedene Legenden aus der griechischen Sagenwelt zusammen. Das Hauptverdienst Hofmannsthals ist, dass er den Stoff von Danae, die von ihrem Vater eingesperrt wurde und die Jupiter in ihrem Gefängnis als Goldregen schwängerte mit dem Stoff des Königs Midas verband, der die Eingeschaft besaß, dass alles, was er anfasste, zu Gold wurde.
Beide Stoffe haben kein besonders ermutigendes Ende, Danae gebiert den Zeus-Sohn Perseus und sie muss mit ihm fliehen und Midas wachsen am Ende zwei schmähliche Eselsohren. Bei Strauss-Hofmannsthal-Gregor wird aus Danae und Midas ein glücklichhes Paar, allerdings erst als beide bereit sind, sich von der Herrschaft des Goldes zu befreien.
Die musikalische Gestalt ist wieder ganz neu und doch ganz Strauss. Keine Ouvertüre (wie schon bei Salome und Elektra), aber ein "Tongemälde" nach dem 1. Bild des 1. Aktes: der Goldregen. Das Tongemälde nimmt so die Position der nachgereichten Ouvertüre ein, wie sie Heinrich Marschner in seinem Hans Heiling realisierte. Es gibt noch weitere Orchesterstücke, das längste ist die Überleitung vom 1. zum 2. Bild des dritten Aktes, Jupiters Verzicht überschrieben.
Tonsymbole (der Ausdruck stammt von Strauss selbst) sind es eher als Leitmotive, die dem Verlauf der Musik Struktur verleihen. Dunkle, majestätische Klänge für Jupiter, Funklendes für das Gold, lyrisches Schwingen für Danaes Menschwerdung aus der Liebeserfahrung.

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