Die Premiere von Fausts Verdammnis ist beim Publikum und im Großen und Ganzen auch bei der Presse sehr gut angekommen, die nächste Vorstellung ist am Donnerstag. Da Donald Runnicles verhindert ist, wird Friedemann Layer die Vorstellung dirigieren. Friedemann Layer war lange Jahre in Frankreich tätig und ist mit dem französischen Repertoire inniger vertraut als man von einem österreichischen Dirigenten vielleicht annehmen würde.
Wir bleiben bei Faust einerseits und Berlioz andererseits. Mit der Komposition von Huit scènes de Faust (also »Acht Szenen...«) hatte Berlioz seine Beschäftigung mit Goethes Tragödie 1829 angefangen und gab ihnen die Opuszahl 1, die er aber später der an Waverley: grande ouverture übertrug; nur zwei Jahre später, noch als Teenager, verfasse Wagner Sieben Kompositionen zu Goethes Faust, nur mit Klavier begleitet. 1840 schrieb er dann für Orchester Eine Faust-Ouvertüre. Das sind aber längst nicht die ersten Kompositionen von Texten aus Goethes Faust. Goethe selbst hatte ja nach einem Komponisten gesucht, der die Chöre und Lieder seiner Tragödie vertonen könnte. Carl Friedrich Zelter, seinen Vertrauten in musikalischen Angelegenheiten fragte er natürlich, ebenso den Weimarer Carl Eberwein, der sein Monodrama Proserpina als Melodram vertont hatte. Schließlich kam er auf den Fürsten Anton Radziwill, der 1811 damit begann und 1830 eine komplette Musik, die allerdings eher für den Konzertgebrauch geeignet ist, abschloss. In der Sing-Akademie gab es nach seinem Tod bis um 1860 alljährliche Aufführungen, das Notenmaterial gehörte zu dem umfangreichen Bestand der Sing-Akademie, der erst nach dem Untergang der Sowjet-Union wieder zum Vorschein kam. 2005 kam es wieder zu einer Aufführung im Konzerthaus.
Hatte Goethe aus seinem ersten Entwurf (heute unter dem Titel Urfaust bekannt) schon 1775 vorgelesen, so kam unter dem Titel Faust. Ein Fragment 1790 ein erster Druck heraus. Faust. Eine Tragödie (heute als Faust I bekannt) wurde 1808 erstmals gedruckt. 1809 komponierte Ludwig van Beethoven sein op. 75, Sechs Gesänge. Die ersten drei Lieder sind auf Texte von Goethe komponiert: »Kennst du das Land« (aus Mignon), Neue Liebe, neues Leben (ein Gedicht von 1775, das Goethes Liebe zu Lilli Schönemann verarbeitet) und das Flohlied Mephistos, das übrigens auch schon im Fragment enthalten ist. Nicht weniger als 15 Vertonungen listet das sehr hilfreiche Textarchiv von recmusic.org auf, darunter Berlioz, Wagner und Mussorgski. Bei »Ach neige, du Schmerzensreiche« sind es 20, bei »Meine Ruh' ist hin« 28. Da ist Berlioz dann allerdings zweimal gezählt, mit den Huit scènes de Faust und mit La damnation de Faust.
Also es gibt viel Musik zum Vergleichen
Nützliche Informationen zu den Kursen von Curt A. Roesler an der Victor-Gollancz-Volkshochschule Berlin Steglitz-Zehlendorf.
Dienstag, 25. Februar 2014
Montag, 10. Februar 2014
Hector Berlioz
Am Samstag kam im Konzerthaus die »dramatische Sinfonie« Roméo et Juliette zur Aufführung, die Deutsche Oper Berlin bereitet die »dramatische Legende« (ursprünglich »Konzertoper«) La damnation de Faust zur Premiere am 23. Februar vor und ab 30. März steht hier wieder die große Oper Die Trojaner auf dem Spielplan. Grund genug, sich dem Komponisten etwas eingehender zu widmen.
Im September 1827 kam auf Einladung des Direktors der Théâtre de la Porte Saint-Martin eine englische Truppe um Charles Kemble mit Hamlet, Romeo and Juliet und Othello nach Paris. Politisch und ästhetisch hatte sich in der Stadt in den vergangenen fünf Jahren viel getan. 1822 führte ein ähnliches Gastspiel noch zu einem Skandal. Das Publikum lehnte Shakespeare als Engländer und als »rohen« Dichter ab. Nun aber setzte sich Gedankengut der Romantik durch, die berühmte Vorrede zum Cromwell von Victor Hugo war bereits erschienen, die auf Shakespeare als Vorbild verweist. Den allergrößten Einfluss übte das Gastspiel auf einen 24 Jahre jungen Komponisten aus, der noch bei Anton Reicha am Conservatoire studierte, aber noch nicht viel mehr als eine Große Messe komponiert hatte. Er verliebte sich unsterblich in Harriet Smithson, die auf der Bühne als Juliet, Ophelia und Desemona erschien. Sechs Jahre später heiratete er sie sogar, es ist natürlich Hector Berlioz. Die Begegnung mit Shakespeare beeinflusst den Komponisten nachhaltig. Fast jedes seiner Werke enthält einen offenen oder versteckten Hinweis darauf. In die Zeit der Begegnung mit Smithson und Shakespeare fällt auch Berlioz' erste Beschäftigung mit Goethes Faust. Madame de Staël hatte in De l'Allemagne (Über Deutschland) – die erste Auflage wurde 1810 von Napoleons Zensur eingezogen und vernichtet – große Teile aus dem ersten Teil der Tragödie übersetzt und Goethe damit einer breiten Öffentlichkeit in Frankreich und England bekannt gemacht. 1827 übersetzte der junge Dichter Gérard de Nerval die ganze Tragödie (den bis dahin von Goethe zwar in Buchform publizierten, aber noch nie aufgeführten ersten Teil) ins Französische. Dieses Buch faszinierte Berlioz so sehr, dass er sich sofort an die Komposition verschiedener »Stellen« machte, die er 1829, im Jahr der ersten szenischen Aufführungen der Tragödie in Braunschweig und in Weimar, als Huit Scènes de Faust veröffentlichte. Er schickte ein Exemplar der gedruckten Partitur nach Weimar, Goethe traute sich kein eigenes Urteil zu und sandte sie weiter an Zelter in Berlin, der mit dieser Musik natürlich nichts anfangen konnte. Er hatte die Kompositionen der Fürsten Radziwill unterstützt, die ab 1819 im privaten Kreis in Berlin und später auch in der Sing-Akademie aufgeführt wurden. Zu Berlioz schrieb er an Goethe: »Gewisse Leute können ihre Geistesgegenwart und ihren Anteil nur durch lautes Husten, Schnauben, Krächzen und Ausspeien zu verstehn geben; von diesen Einer schein Herr Hector Berlioz zu sein. Der Schwefelgeruch des Mephisto zieht ihn an, nun muss er niesen und prusten, dass sich alle Instrumente im Orchester regen und spuken – nur am Faust rührt sich kein Haar.« Das ist korrekt, von den acht Szenen gehören zwei Marguerite, zwei Méphistophélès, eine Brander, weitere Soldaten und unsichtbaren Chören, nur Faust hat keine eigene Stimme. Als Figur ist er zwar präsent, etwa in der Osterszene am Anfang. Nur das Sylphenkonzert wurde im Conservatoire aufgeführt. Noch bevor es zu einer Gesamtaufführung kommen konnte, zog Berlioz das Werk zurück, um es Jahre später umgearbeitet in La damnation de Faust aufgehen zu lassen. Über jede der acht Szenen setzt Berlioz in der Partitur ein Shakespeare-Zitat im englischen Original. So fand er zum Rattenlied passend im Hamlet eine Stelle: »How now? a rat? dead, for a ducat, dead.«
Bis heute bleibt umstritten, ob La damnation de Faust überhaupt ein szenisches Werk sei. Immerhin bemühte er sich 1845, als er sich dem Faust-Stoff erneut zuwandte, um Eugène Scribe als Librettisten. Da er Scribe nicht gewinnen konnte, schrieb er sich das Libretto selbst unter Verwendung der Prosa-Übersetzung von Nerval und mit Hilfe des Co-Librettisten Almire de Gandonnière. Die Komposition entstand während einer großen Europa-Tournee als Dirigent, die ihn u. a. nach Ungarn brachte, wo er den Rákoczi-Marsch kennen, der ihn so faszinierte, dass er Faust bextra einen Umweg durch Ungarn machen ließ, damit er ihn in die Partitur einbauen konnte. Zu Berlioz' Lebzeiten gab es jedenfalls nur konzertante Aufführungen der Damnation. Nach der Uraufführung in der Opéra-Comique auch in Moskau, St. Petersburg und Berlin unter Leitung des Komponisten, später auch in Wien. Erst 1893 brachte der große Impresario und Operndirektor Raoul Gunsbourg in Montecarlo eine szenische Fassung heraus. Seit Maurice Béjart 1964 La damnation de Faust an der Pariser Opéra herausbrachte, haben sich immer wieder Choreographen mit dem Werk auseinandergesetzt, sei es in Zusammenarbeit mit Regisseuren, wie Hans Kresnik mit Götz Friedrich 1983 an der Deutschen Oper Berlin, sei es allein wie jetzt Christian Spuck.
Im September 1827 kam auf Einladung des Direktors der Théâtre de la Porte Saint-Martin eine englische Truppe um Charles Kemble mit Hamlet, Romeo and Juliet und Othello nach Paris. Politisch und ästhetisch hatte sich in der Stadt in den vergangenen fünf Jahren viel getan. 1822 führte ein ähnliches Gastspiel noch zu einem Skandal. Das Publikum lehnte Shakespeare als Engländer und als »rohen« Dichter ab. Nun aber setzte sich Gedankengut der Romantik durch, die berühmte Vorrede zum Cromwell von Victor Hugo war bereits erschienen, die auf Shakespeare als Vorbild verweist. Den allergrößten Einfluss übte das Gastspiel auf einen 24 Jahre jungen Komponisten aus, der noch bei Anton Reicha am Conservatoire studierte, aber noch nicht viel mehr als eine Große Messe komponiert hatte. Er verliebte sich unsterblich in Harriet Smithson, die auf der Bühne als Juliet, Ophelia und Desemona erschien. Sechs Jahre später heiratete er sie sogar, es ist natürlich Hector Berlioz. Die Begegnung mit Shakespeare beeinflusst den Komponisten nachhaltig. Fast jedes seiner Werke enthält einen offenen oder versteckten Hinweis darauf. In die Zeit der Begegnung mit Smithson und Shakespeare fällt auch Berlioz' erste Beschäftigung mit Goethes Faust. Madame de Staël hatte in De l'Allemagne (Über Deutschland) – die erste Auflage wurde 1810 von Napoleons Zensur eingezogen und vernichtet – große Teile aus dem ersten Teil der Tragödie übersetzt und Goethe damit einer breiten Öffentlichkeit in Frankreich und England bekannt gemacht. 1827 übersetzte der junge Dichter Gérard de Nerval die ganze Tragödie (den bis dahin von Goethe zwar in Buchform publizierten, aber noch nie aufgeführten ersten Teil) ins Französische. Dieses Buch faszinierte Berlioz so sehr, dass er sich sofort an die Komposition verschiedener »Stellen« machte, die er 1829, im Jahr der ersten szenischen Aufführungen der Tragödie in Braunschweig und in Weimar, als Huit Scènes de Faust veröffentlichte. Er schickte ein Exemplar der gedruckten Partitur nach Weimar, Goethe traute sich kein eigenes Urteil zu und sandte sie weiter an Zelter in Berlin, der mit dieser Musik natürlich nichts anfangen konnte. Er hatte die Kompositionen der Fürsten Radziwill unterstützt, die ab 1819 im privaten Kreis in Berlin und später auch in der Sing-Akademie aufgeführt wurden. Zu Berlioz schrieb er an Goethe: »Gewisse Leute können ihre Geistesgegenwart und ihren Anteil nur durch lautes Husten, Schnauben, Krächzen und Ausspeien zu verstehn geben; von diesen Einer schein Herr Hector Berlioz zu sein. Der Schwefelgeruch des Mephisto zieht ihn an, nun muss er niesen und prusten, dass sich alle Instrumente im Orchester regen und spuken – nur am Faust rührt sich kein Haar.« Das ist korrekt, von den acht Szenen gehören zwei Marguerite, zwei Méphistophélès, eine Brander, weitere Soldaten und unsichtbaren Chören, nur Faust hat keine eigene Stimme. Als Figur ist er zwar präsent, etwa in der Osterszene am Anfang. Nur das Sylphenkonzert wurde im Conservatoire aufgeführt. Noch bevor es zu einer Gesamtaufführung kommen konnte, zog Berlioz das Werk zurück, um es Jahre später umgearbeitet in La damnation de Faust aufgehen zu lassen. Über jede der acht Szenen setzt Berlioz in der Partitur ein Shakespeare-Zitat im englischen Original. So fand er zum Rattenlied passend im Hamlet eine Stelle: »How now? a rat? dead, for a ducat, dead.«
Bis heute bleibt umstritten, ob La damnation de Faust überhaupt ein szenisches Werk sei. Immerhin bemühte er sich 1845, als er sich dem Faust-Stoff erneut zuwandte, um Eugène Scribe als Librettisten. Da er Scribe nicht gewinnen konnte, schrieb er sich das Libretto selbst unter Verwendung der Prosa-Übersetzung von Nerval und mit Hilfe des Co-Librettisten Almire de Gandonnière. Die Komposition entstand während einer großen Europa-Tournee als Dirigent, die ihn u. a. nach Ungarn brachte, wo er den Rákoczi-Marsch kennen, der ihn so faszinierte, dass er Faust bextra einen Umweg durch Ungarn machen ließ, damit er ihn in die Partitur einbauen konnte. Zu Berlioz' Lebzeiten gab es jedenfalls nur konzertante Aufführungen der Damnation. Nach der Uraufführung in der Opéra-Comique auch in Moskau, St. Petersburg und Berlin unter Leitung des Komponisten, später auch in Wien. Erst 1893 brachte der große Impresario und Operndirektor Raoul Gunsbourg in Montecarlo eine szenische Fassung heraus. Seit Maurice Béjart 1964 La damnation de Faust an der Pariser Opéra herausbrachte, haben sich immer wieder Choreographen mit dem Werk auseinandergesetzt, sei es in Zusammenarbeit mit Regisseuren, wie Hans Kresnik mit Götz Friedrich 1983 an der Deutschen Oper Berlin, sei es allein wie jetzt Christian Spuck.
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